Porto Alegre - Rio Grande do Sul/Brasilien
Auf der einen Seite wird die Abgrenzung und staatliche Anerkennungen ihrerer Gebiete erschwert bzw. es dauert einige Jahre bis den Anträgen überhaupt statt gegeben wird, und auf der anderen Seite ist die Präsenz der Indios in den Städten von lauter Vorurteilen geprägt. Aber anders als viele denken, die Städte gehörhren auch zum Lebensraum der Indios.
Auf dem Weg nach Porto Alegre haben wir schon über einen Bericht über die Situation der Indios nachgedacht - wir wollten Brasilien nicht verlassen, ohne ein bisschen über dieses Thema, über die Vielzahl an Außeinandersetzungen und Ungerechtigkeiten gegenüber den nativen Einwohner zu schildern. Und dann sind wir auf die Kunstwerke von Xadalu gestoßen was uns dann umso mehr angetrieben hat.
Durch verschiedene Plakaten, die in der ganzen Stadt verteilt aufgehängt sind, bringt der Künstler seine Botschaft rüber. Über die Unsichtbarkeit der Indios in Porto Alegre gestört - wobei eine massive Präsenz verschiedener ethnischer Gruppen auf den Straßen der Stadt wahrzunehmen ist - hat er sich dazu entschlossen die Aufmerksamkeit der Leute auf die Präsenz der Indios zu lenken. "Achtung: Indiandergebiet" wurde auf einer seiner Interventionen gedruckt, die in der ganzen Stadt verteilt wurde.
Indiandergebiet und Plakat aus der Serie "unsichtbare Geschöpfe" von Xadalu in Porto Alegre
Die Anwesenheit der Indios in den Städten ist von lauter Vorurteilen umgeben, doch anders als viele denken, zum Lebensraum der Indios gehört auch die Stadt. Marcos Kaigan hat uns ein bisschen erzählt über seinen Lebensweg und den Kämpfen, die er täglich zu bewältigen hat:
Marcos Kaigang, Student der Rechtswissenschaften an der Bundesuniversität von Rio Grande do Sul
"Ich bin im Kampf geboren. Ich bin 25 Jahre im Kampf. Ums überleben. Wenn es ein Volk gibt, das von Widerstand sprechen kann, ist es das Volk der Indios. (...) Wonach wir streben sind unsere Gebiete, unsere Grundrechte wie Gesundheitmaßnahmen, Schulen, die auf die indianischen Völker abgestimmt sind haben wir schon erreicht, aber es dauert immer noch bis es umgesetzt wird, sanitäre Grundversorgung und Rechte die wir nur mit einem eigenen Gebieten erlangen können. Als Brasilien einmarschiert, geplündert und beraubt wurde, ging das auf Kosten von Millionen Menschenleben der Indio-Völker, zum Wohlstand von nur ganz wenigen. Ein Elend das wir seit 1500 tagtäglich erleben."
Die öffentlichen Gesetze speziell für die indianischen Völker angepasst sind sehr wichtig. Um ein bisschen darüber zu erfahren, was sich in Porto Alegre apbspielt, haben wir Luiz Fagundes - Sozialwissenschaftler der im Sekretariat für Menschenrechte der Stadt arbeitet - eingeladen, um über die Regelungen zur unterstützung dieser Bevölkerungsgruppen zu erzählen. Seiner Meinung nach sind der Kampf und die starke Rolle der Indios in dieser Hinsicht sehr wichtig.
Luiz Fagundes - Sekretariat der Menschenrechte in Porto Alegre
“Es gibt Verständnisweisen welche unseren Aktivitäten die Richtung angeben. Das erste ist an die Autonomie der ethnischen Gruppen, die es hier gibt (Charruas, Guarani und Kaigang) zu glauben und diese auch zu respektieren. Das zweite ist das Verständnis, dass die Indios nicht in der Stadt sind sondern die Stadt sich auf den Territorien der Indios ausgebreitet hat. (...) Die Indios sind auf ihren Territorien, die heute auch Stadtgebiet sind. Das bedeutet, dass es überlappende Territorien gibt. Es gibt eine Sichtweise der Indios über die Welt und es gibt eine Sichtweise der nationalen Gesellschaft über unsere Welt. Zu glauben, dass die Indios nicht außerhalb ihrer Gebiete sind – das ist der erste grundlegende Prinzip. Die Indios sind an denselben Orten an denen sie immer waren, in ihrer Besetzung auf lange Dauer.“
Diese Art Verständnis hat es Porto Alegre ermöglicht, verschiedene Gesetze und Regelungen für Indios in Kraft zu setzen, die als Beispiel für ganz Brasilien gelten. Wie zum Beispiel: der Erwerb von Ländereien durch die Stadtverwaltung, ein Kunsthandwerk-Geschäft in der Stadt welches von den indigenen ethnischen Gruppen verwaltet wird und die Tücher für die Guarani-Frauen.
“Wir versuchen uns Vorzustellen, wie öffentliche Politik auf der Grundlage von indigenen Ideen aussehen könnte. Es gibt verschiedene öffentliche Regelungen in der Stadt, die an die Indios gerichtet sind. Wir haben ein Indio-Kunsthandwerk-Geschäft, welches sich am Bomfim Markt befindet und durch die Indios in verschiedenen Zeitabschnitten geführt wird: Die Kaigang sind für einen Abschnitt zuständig, die Charrua in einem anderen und die Guaranis in nem anderen Abschnitt. (...) Wir haben eine Regelung die uns sehr stolz macht, das ist die Anschaffung von Gebieten speziell für die Indios, welche gesetzlich als Gebiete mit kulturellem Interesse deklariert wurden. Die Stadtverwaltung hat vier Gebiete für die indigenen Völker erworben – zwei Kaigang, ein Guarani und ein Charrua. Es sind Gebiete verschiedener Größe, doch es sind Gebiete zum Leben und der Nutzung ausschließlich durch Indios. Ich kenne in ganz Brasilien keine Regelung wie diese. Aber das hat hauptsächlich zu tun – und das wollen ganz wir klarstellen - mit dem Kampf und dem starken Einsatz der Indios. Es ist nicht die Verwaltung welche es von sich aus gegeben hätte, sie hat lediglich einer Forderung nachgegeben.“
Für Luiz, eines der grundlegendsten Dinge für die Erschaffung von öffentlichen Regelungen ist es, die Unterschiede der Bevölkerungen zu berücksichtigen, die wir normalerweise in eine einzige Kategorie einstufen: Indios.
“Die Politik hat mit dem Zusammenhang zu tun. Sie sollte die kulturellen Besonderheiten respektieren und nicht diese Kategorie 'índio' zu verstehen als ob es eine einzige Sache wäre. Die Kaigang fordern eine Art Politik, die Guarani wollen etwas anderes und die Charrua wieder etwas anderes. Und dort muss man, in gewisser Weise, mit diesen Unterschieden dialogieren, inmitten dem was die Leute homogenisieren und als alles gleich ansehen: 'die Indios'. Hier in Porto Alegre sind es 3 Völker, aber in Brasilien sind es 308, wenn ich mich nicht irre. Es sind 270 Sprachen!“
Deshalb gehören die Marktbuden hauptsächlich Mitgliedern der Kaigang Volksgruppe, denn sie sind aus einer Kaigang Widerstandsbewegung entstanden. Die Guarani hingegen haben eine andere Art und Weise sich auf den Plätze aufzuhalten: Sie haben keinen festen Stände an bestimmten Plätzen, sondern positionieren sich an Orten, die sie für passend zu ihrem traditionellen Territorium empfinden – im Fall von Porto Alegre vorzüglich im Stadtzentrum. Diese Eigenschaft der Guarnies berücksichtigend, wurde eine öffentliche Maßnahme speziell an die Guaranies gerichtet in Kraft gesetzt:
“Die Besetzung im Zentrum sind hauptsächlich Frauen die mit dem Begriff Poraró – wie sie es selbst bezeichnen - in Verbindung gebracht werden, was so viel bedeutet wie ‚die Hand ausstrecken‘. [Verkauf von Kunsthandwerk] Die Guarani-Mütter geben ihre Kinder nicht aus der Hand und würden niemals anderen Ihre Kinder zur Erziehung überlassen. Das hat viele Probleme aus Sicht der Gerichte hervorgebracht, denn man dachte dass die Kinder schlecht behandelt würden. Und das trug eine Serie von Kriminalisierungen einer traditionellen Aktivität mit sich. Als Ergebnis des Dialogs und dem Anspruch der Guranis gerecht werdend, haben wir das Projekt ‚Frauen der Tücher‘ erschaffen – wobei Tücher hergestellt wurden worauf sie ihr Kunsthandwerk ausbreiten können und dadurch die öffentlichen Bediensteten [Polizei, Jugendamt] ihre Aktivitäten und das Recht sich dort aufzuhalten anerkannten. So konnten wir den Poraró weiterhin garantieren.“
Kunsthandwerk der Guaranis auf einem Tuch des Projektes "Frauen der Tücher"
Der Soziologe und ehemalige Leiter der Region Südküste von der FUNAI (Nationale Stifung der Indios), João Maurício Farias hat uns erklärt, wie wichtig dieses Projekt ist, nicht nur aus wirtschaftlichem Blickwinkel und der Präsenz der Frauen auf den Straßen, sondern vor allem aus kultureller Sichtweise:
"Die Handlung des Poraró ist für sie ein kultureller Austausch. Sie bringen Elemente aus ihrer Kultur wie z.B. Kunsthandwerke mit ein. EIn Tierchen, ein Krokodil, ein Puma, eine Schildkröte, eine Quati; Wenn sie diese Tiere herstellen, dann erfüllen Sie diese Tiere auch mit Leben. Das Tier ist eine Erweiterung ihres Lebens. Und es ist ein Element, das voller Guarani-Leben ist, das wenn wir uns bücken und kaufen wir auch mit nach Hause nehmen. Es ist die Ausweitung des Guarani-Unsiversums. Sie glauben, dass wenn wir es ins Regal oder die Vitrine stellen, werden wir in irgendeinem Moment auch von den Guaranis träumen; wir werden über das Leben der Guarani nachdenken und wir werden mit ihnen in Verbindung stehen; das wird uns helfen ihr Leben zu verstehen und uns zu Verbündeten machen. Es ist als ob die Guarni durch dieses Kunsthanwerk in unserer Leben eindringen. Es ist eine Handlung etwas ganz anderes ist, als lediglich der Kauf eines Produktes, das wir in einer praktischen Weise mit unserem Pragmatismus benutzen. Es ist total anders: es gibt viele Elemente die damit verbunden sind: die Gesellschaft, ihre Wirtschaft, ihre Religion - alles hängt mit diesem Tierechen zusammen."
João Maurício Farias (Soziologe) erzählt über Poraró
Auf diese Weise hat João Maurício erklärt, dass im Zusammenhang mit dem Projekt "Frauen der Tücher" auch eine Verodnung erlassen wurde, die gewährleistet, dass die Familien nicht mehr vom Jugendamt aufgesucht werden und auch nicht mehr aus dem Stadtzentrum entfernt werden.
Vorstellung der Guarni im Stadtzentrum von Porto Alegre
Aber neben diesen politschen Regelungen fehlt immer noch sehr viel um die historischen Schäden, welche die brasilianische Gesellschaft den Urvölkern gegenüber verursacht hat, aufzuarbeiten und zu reparieren.
Zílio Jagtyg Salvador bei der Herstellung seines Kunsthandwerks
Über dieses Thema haben wir mit Zílio Jagtyg Salvador, João Padilha, Merong Santos und Iracema Gãh Té Nascimento gesprochen, die uns ein bisschen über ihren Kummer erzählt haben, aber auch über die Weltanschaug und die Geschichte ihrer Völker - Dinge die leider selten verbreitet werden.
Iracema Gãh Té Nascimento
Wir konnten ein bisschen von diesem Aktivismus in Porto Alegre begleiten und bald gibt es ein Video, das von den Außeinandersetzungen, Geschichten und territorialen Angelegenheiten handelt. Die Interviews waren super, für das Video brauchen wir noch in bisschen!
Merong Santos - Pataxó Hã Hã Hãe